Wassergekühlter Boxermotor: 2013 BMW R 1200 GS

      Der neue BMW-Boxer
      Neuer Zweizylinder von BMW

      Kunstvolle Fotos eines neuen Motors sind die eine Sache. Der direkte Blick in dessen tiefstes Inneres, das Befühlen und Betasten von Teilen eine ganz andere, intensivere. MOTORRAD hatte die Gelegenheit, den neuen BMW-Boxer auf diese Weise kennenzulernen.

      Es sind - in wechselnder Besetzung - die Konstrukteure selbst, die der kleinen Delegation von MOTORRAD ihr jüngstes Werk, den wassergekühlten Boxer der neuen R 1200 GS vorstellen. Geduldig folgen sie den Assoziationssprüngen der Redakteure, erklären Detail für Detail und wirken sehr entspannt.

      Häufig gebrauchen sie den Begriff „Iterationsschleife“. Er bezeichnet einen Prozess, welcher so oft durchgeführt wird, wie eine bestimmte Bedingung gegeben oder bis eine Schlussbedingung erfüllt ist. Die BMW-Ingenieure verwenden dieses Stück wissenschaftliche Metasprache scherzhaft. Um anzudeuten, wie oft die meisten Teile ihrer Schöpfung getestet, analysiert, diskutiert, modifiziert wurden, dann aufs Neue getestet, analysiert - und immer so fort. Und was das an Zeit, Geld und Nerven gekostet haben mag. Das ist bei jeder Neuentwicklung so, doch hier besteht - um im Jargon zu bleiben – ein erhöhter Bedarf an Iterationsschleifen.

      Denn die GS ist seit Jahren die meist-verkaufte, ergo wichtigste BMW, und der Motor der Neuen bleibt zwar ein Zweizylinder-Boxer, bricht aber sonst mit so ziemlich jedem traditionellen Konstruktionsprinzip, das sich durch 89 Jahre des Boxer-Bauens zog: Durchströmung des Zylinderkopfes von hinten nach vorn, Luftkühlung, Trockenkupplung, separates Getriebe - alles passé. Wer so viele alte Zöpfe abschneidet, muss mit aller Sorgfalt sicherstellen, dass etwas Besseres nachwächst.

      Nun lassen sich die Qualitäten einer Neuentwicklung vor den ersten ausführlichen Testfahrten nicht seriös beurteilen, doch immer wenn sich zwei wünschenswerte, aber einander widersprechende Merkmale stärker ausprägen, ist dies ein Indiz dafür, dass etwas gut gelungen ist. Als Beispiel dafür fallen vor allem die Zylinderköpfe auf, die beim Boxer zwar außen liegen, aus technischer Sicht aber das Zentrum eines Motors bilden. Hier wird Leistung erzeugt, hier entscheidet sich, wie viel vom kostbaren Benzin dafür benötigt wird.

      Der neue Boxer verdichtet sein Gemisch im Verhältnis 12,5:1, der Vorgänger 12:1. Trotz der höheren Verdichtung kommt er mit Super 95, mit nur einer zentralen Zündkerze und ohne zylinderselektive Klopfregelung aus, während sein Vorgänger 98-oktaniges Benzin verlangte, das er im Teillastbereich nur mithilfe einer Doppelzündung sauber genug verbrennen konnte. Und um vor zerstörerischem Hochgeschwindigkeitsklingeln sicher zu sein, brauchte der alte Boxer noch die besagte Klopfregelung. Nicht zu vergessen, der neue leistet 15 PS mehr.

      Die wichtigste Rolle bei dieser geballten Menge von Vorteilen spielt die geänderte Durchströmung des Brennraums von oben nach unten. Sie ermöglicht nicht nur eine für Boxer-Piloten ungewohnte Fußfreiheit, sondern auch strömungsgünstigere Fallstrom-Einlasskanäle und eine sinnvolle Platzierung der Einspritzdüsen. „Die Düsen können jetzt direkt auf die Einlassventile spritzen, früher trafen sie die Kanalwand. Von da aus lief der Sprit dann so allmählich Richtung Brennraum“, schildert Baureihenleiter Josef Miritsch den erratischen Anteil bei der Gemischbildung des bisherigen Motors.

      Voraussetzung für die günstigere Konfiguration der neuen Zylinderköpfe ist die Wasserkühlung. Sie bewahrt die beiden durch die geänderte Anordnung im Windschatten liegenden hinteren Auslassventile vor dem Hitzetod.

      Die Integration von Kupplung, Getriebe und Lichtmaschine in das Gehäuse erforderte ein ganz neues Arrangement von Wellen und Baugruppen. Die Kurbelwelle treibt vorn die Wasserpumpe und hinten die Lichtmaschine an sowie über ein Zahnradpaar den Korb der Anti-Hopping-Kupplung. Dessen Welle, die ja gegenläufig zur Kurbelwelle dreht, dient auch als Ausgleichswelle, Antrieb der Ölpumpe und Antrieb der rechten Nockenwellenkette. Die linke wird direkt von der Kurbelwelle angetrieben. Der Innenrotor der Kupplung sitzt auf einer Welle, die wiederum in der hohlen Ausgleichswelle rotiert und durch den ganzen Motor reicht. Ganz hinten treibt ein Zahnrad die Getriebeeingangswelle an. Das klingt genauso verschachtelt, wie es sich darbietet, schafft aber eine viel kleinere, vor allem kürzere Antriebseinheit, als sie die bisherigen R-Modelle hatten. Mächtig wirkt sie nur durch die herausragenden Zylinder.

      Eines hat die BMW-Delegation nicht verraten: wie viele Teile bei der Neukonstruktion eingespart wurden. Hier und da gibt es Hinweise darauf, dass ein guter Teil des konstruktiven Aufwands dafür verwendet wurde, die Produktionskosten zu senken, etwa beim äußerst komplexen Gussverfahren für das Gehäuse, das mit möglichst vielen gegossenen statt nachträglich gebohrten Ölkanälen aus der Form kommen soll. Dar-über kann man ruhig sprechen. Wichtig ist nur, dass Hersteller und Kunden die Vorteile einer Neukonstruktion gleichermaßen genießen können. Dann wird die GS-Erfolgsformel weiterhin aufgehen.
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      Boxermotor

      Stärker, leichter, kultivierter und noch sparsamer im Verbrauch – das ist die aktuelle Generation des markentypischen Boxermotors von BMW Motorrad. Mit seiner Luft-Ölkühlung und der Vierventiltechnik entspricht er zwar vom Konstruktionsprinzip her den traditionellen BMW Motorrad Zweizylindern - dennoch ist er eine komplette Neuentwicklung. Alle leistungsrelevanten Bauteile wurden überarbeitet. So erhöht eine neue - und leichtere - Kurbelwelle mit 73 statt 70,5 Millimeter Hub den Hubraum auf 1170 Kubikzentimeter. Gleichzeitig steigen Leistung und Drehmoment des Boxers: je nach Modell auf bis zu 90 kW (122 PS) bei 8.250/min und 115 Nm bei 5.500 U/min.

      Weitere Komponenten für die beeindruckende Leistungssteigerung des aktuellen Boxermotors sind die größeren Ventile, optimierte Ein- und Auslasskanäle, die höhere Verdichtung (R 1200 GS 11,0:1; R 1200 RT/ST 12,0:1; R 1200 S 12,5:1) und die deutlich vergrößerte Airbox. Das Ergebnis: ein souveräner Charakter, der aus dem Drehzahlkeller heraus eindrucksvoll seine Überlegenheit demonstriert - ein Muster an überragender Dynamik und begeisternder Drehfreude.

      Ein wesentliches Entwicklungsziel beim neuen Boxermotor war auch die weitere Verbesserung der Laufkultur. So verfügt das neue Triebwerk - erstmals in der Geschichte der BMW Motorrad Boxermotoren - über eine Ausgleichswelle. Platz sparend läuft sie innerhalb der hohlen Nebenwelle für den Nockenwellenantrieb und sorgt so für eine optimale Laufruhe und einen seidigen Schub über den gesamten Drehzahlbereich, ohne dabei den typischen Grundcharakter des Zweizylinders zu verwässern. Einzige Ausnahme: die Boxer in den HP-Modellen, wo aus Gewichtsgründen darauf verzichtet wurde.

      Der neue Boxermotor ist hubraum- und leistungsstärker als sein Vorgänger - wiegt aber trotz der zusätzlichen Ausgleichswelle weniger. Konsequenter Leichtbau reduziert sein Gewicht um insgesamt 3 Kilogramm. Dazu tragen modernste Entwicklungsmethoden und innovative Gusstechniken bei. Nur ein Beispiel von vielen: das Kurbelgehäuse wurde wesentlich fester und stabiler, dennoch fällt das komplette Bauteil 1,4 kg leichter aus. Und im Inneren des Motors setzt sich der Leichtbau konsequent fort: z.B. spart die neue Kurbelwelle ein ganzes Kilogramm Gewicht ein.

      Als Weltneuheit im Motorradbau wurde im aktuellen Boxermotor außerdem eine Klopfregelung eingeführt. Dabei registrieren Sensoren jede unkontrollierte Verbrennung - wie sie beispielsweise durch schlechte Kraftstoffqualität auftreten können. Das Motormanagement verstellt dann den Zündzeitpunkt in Richtung "spät". So kommt das hoch verdichtete Triebwerk nötigenfalls auch mit Normalbenzin aus. Die jüngste Entwicklungsstufe der Motorelektronik BMS-K und die modifizierte Doppelzündung reduzieren den Kraftstoffverbrauch um rund acht Prozent - und das trotz der höheren Motorleistung. Zusätzlich sorgen zwei Lambdasonden zusammen mit dem geregelten Dreiwege-Katalysator für minimalen Schadstoffausstoß entsprechend der gültigen Abgasnorm EU 3.

      Der neue Boxermotor von BMW Motorrad ist der beste Boxer aller Zeiten: Kraftvoller und dynamischer denn je setzt er sich in Szene und weckt doch - wie seit 80 Jahren - Emotionen, denen sich kaum ein Motorradfahrer entziehen kann.

      http://www.bmw-motorrad.de/de/de/index.html?content=http://www.bmw-motorrad.de/de/de/technology_new/item_boxerengine.html
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