Tauchen mit Asthma

      Tauchen mit Asthma

      Tauchen mit Asthma: "Kalte Luft kann einen Anfall auslösen"

      Auch Asthma-Patienten dürfen unter Umständen tauchen. Aber sie müssen besonders vorsichtig sein, erklärt Tauchmediziner Kay Tetzlaff. In der Tiefe kühlt die Druckflasche mit der Atemluft ab - eine Gefahrenquelle für gereizte Atemwege.

      [b]SPIEGEL ONLINE:
      Herr Tetzlaff, wie gefährlich ist Tauchen im Vergleich zu anderen Sportarten?

      Tetzlaff: Tauchen ist ein sehr sicherer Sport, wenn man eine gute Ausbildung und keine medizinischen Kontraindikationen hat. Die Unfallhäufigkeit ist geringer als beim Skifahren. Aber: Wenn etwas passiert, kann das schnell lebensbedrohlich werden. Die Zahl der Todesfälle ist also größer als bei anderen Sportarten.

      SPIEGEL ONLINE: Mir ist kürzlich fast ein Unfall passiert. Bei einem Tauchgang hatte ich in 31 Metern Tiefe plötzlich Atemnot. Was ist da passiert?

      Tetzlaff: Luftnot beim Tauchen kann ganz viele Ursachen haben. Aufregung und Angst können Auslöser sein. Aber natürlich gibt es auch physiologische Gründe.

      SPIEGEL ONLINE: Könnte es mit dem Asthma zusammenhängen, das sich bei mir in den letzten drei Jahren entwickelt hat?

      Tetzlaff: Asthma ist eine mögliche Kontraindikation. Wenn es gut eingestellt ist, kann man damit tauchen gehen. Allerdings muss man vorsichtig sein und große Tiefen und Anstrengung vermeiden.

      Kay Tetzlaff ist Sportmediziner an der Universitätsklinik Tübingen und Mitautor des Buchs "Moderne Tauchmedizin: Handbuch für Tauchlehrer, Taucher und Ärzte".

      SPIEGEL ONLINE: Aber warum ist Asthma denn überhaupt ein Problem beim Tauchen? Unter Wasser fliegen doch keine Pollen herum.

      Tetzlaff: Asthmatiker haben chronisch entzündete Atemwege und reagieren überempfindlich - nicht nur auf Pollen, sondern auch auf Kälte.

      SPIEGEL ONLINE: Ich hatte einen Neoprenanzug an. Mir war nicht kalt.

      Tetzlaff: Aber die komprimierte Luft in Ihrer Druckflasche war es bei 30 Metern bestimmt. Und schon kalte Luft kann einen Asthmaanfall auslösen. Oft sitzen Leih-Anzüge auch nicht perfekt oder sind abgenutzt und isolieren nicht mehr gut. Studien haben gezeigt, dass Kältereize über die Haut bei manchen Asthmatikern ebenfalls eine Verengung der Atemwege induzieren können. Und je tiefer man geht, desto kälter wird es.

      SPIEGEL ONLINE: Ich hatte aber auch das Gefühl, dass ab 20 Metern einfach weniger Luft einströmte.

      Tetzlaff: Das liegt daran, dass der Atemwiderstand in größerer Tiefe zunimmt.

      SPIEGEL ONLINE: Weil mehr Druck auf der Lunge liegt?

      Tetzlaff: Das auch. Aber entscheidender ist, dass die Luft bei diesen Druckverhältnissen dichter ist, wenn sie aus dem Druckventil strömt. Die Atemarbeit nimmt dadurch zu und für sensible Menschen kann das schon ein Problem sein.

      SPIEGEL ONLINE: Dann sollten Asthmatiker wohl lieber nicht in 40 oder gar 50 Meter Tiefe tauchen?

      Tetzlaff (lacht): Wir raten jedem davon ab, tiefer als 30 Meter zu tauchen. Das sehen auch die Tauchsportverbände weltweit so.

      SPIEGEL ONLINE: Ist es für Asthmatiker ratsam, vor dem Tauchen vorsorglich einen Zug aus dem Inhalator zu nehmen, den sie normalerweise nur bei einem Anfall benutzen sollen?

      Tetzlaff: Ja, das empfehlen wir, auch wenn es hierzu leider kaum Untersuchungen gibt. Wir können die Empfehlung daher nur auf unsere Erfahrungen mit atemwegserweiternden Präparaten stützen. Was die entzündungshemmenden Inhalate angeht - die sollten Asthmatiker ja ohnehin regelmäßig einnehmen.

      SPIEGEL ONLINE: Wie ist es denn allgemein mit der Wirkung von Medikamenten beim Tauchen?

      Tetzlaff: Auch darüber wissen wir nur sehr wenig. Mit Zunahme des Sporttauchens und der älter werdenden Gesellschaft haben wir nun eine Situation, dass immer mehr Menschen im höheren Lebensalter tauchen, daher öfters die typischen Alterserkrankungen haben und auf Medikamente angewiesen sind - also beispielsweise Mittel gegen Bluthochdruck. Man muss damit rechnen, dass die veränderten Druckbedingungen die Nebenwirkungen der Präparate verstärken können.

      SPIEGEL ONLINE: Gibt es Altersgrenzen beim Tauchen?

      Tetzlaff: Nach oben hin gibt es keine empfohlene Altersgrenze. Allerdings wissen wir aufgrund der Statistiken, dass das Risiko beim Tauchen mit dem Alter zunimmt. Nach unten hin gibt es eine klare Altersgrenze: Kinder unter acht Jahren dürfen nicht tauchen, weil ihre Lunge noch nicht voll entwickelt ist und leichter Verletzungen erleiden kann.

      SPIEGEL ONLINE: Kann man sich vor dem gefürchteten Tiefenrausch schützen?

      Tetzlaff: Es ist ähnlich wie beim Alkohol: Es trifft jeden, aber nicht jeden gleich schnell und gleich stark. Der Tiefenrausch tritt ab etwa 30 Metern auf, die genauen Gründe sind noch immer nicht eindeutig geklärt. Ursache ist jedenfalls der Stickstoff, der bei zunehmend hohem Druck in der Tiefe vermehrt ins Blut geht. An den Synapsen der Nervenzellen wirkt er ähnlich wie Alkohol oder wie ein Narkosemittel. Der Tiefenrausch ist einer der häufigsten Gründe für Tauchunfälle.

      SPIEGEL ONLINE: Vergeht er denn sofort wieder, wenn man in flachere Tiefen geht?

      Tetzlaff: Ja, das ist der Unterschied zum Alkohol: die Symptome des Tiefenrausches verschwinden vollständig und sofort. Er ist eher wie eine Narkose.
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      Tauchen mit Asthma: Atemlos in der Tiefe
      Von Jens Lubbadeh

      Kopf unter Wasser, Neopren auf der Haut, kiloweise Blei um die Hüften - und dann tief Luft holen. Tauchen? Das muss bei einem Asthmatiker schiefgehen. Wie es ist, wenn einem 31 Meter unter der Wasseroberfläche die Luft wegbleibt.

      Es ist ja schon der Wahnsinn: Erst quält man sich in ein Ganzkörperkondom, schnallt sich kiloweise Bleigewichte um die Hüften, packt sich die Druckflasche auf den Rücken, zieht Flossen an die Füße und eine Maske übers Gesicht - und dann springt man auch noch so hinein ins kalte Wasser.

      Es geht abwärts. In die Welt der Rochen, Muränen und Anemonen. Tauchen ist eine phänomenale Erfahrung. Ich kann nur jedem raten, es einmal zu probieren. Vergessen Sie diese albernen Parabelflüge. Nirgendwo sonst bekommt man auf Erden so billig und so lange Schwerelosigkeit wie beim Tauchen. Und jede Menge Frischfisch obendrein.

      Vorsicht, bissiger Nemo!

      Doch das Fisch-Universum hat seine eigenen Gesetze. Sie kennen Nemo, den süßen Clownfisch? Der sieht tatsächlich sehr niedlich aus, wenn er sich in seiner Makkaroni-Anemone verkriecht. Aber Nemo kann auch anders. Kommt man ihm und seiner Anemone zu nahe, schießt er schnurstracks auf einen los - ganz egal, ob man hundertmal größer ist. Nemo hat meine Freundin mal gebissen, bis das Blut kam. Und die ist eigentlich auch echt süß.

      Das fanden auch die drei Feuerfische, die sich mal an sie ranmachten. Wunderschöne, imposante Tiere mit einem kunterbunten, strahlenförmigen Flossenkostüm, die aussehen wie kleine Drachen. Sie schwimmen sehr langsam - was toll ist, weil man sie dann besonders gut beobachten kann. Warum sie so langsam schwimmen, war uns nicht klar: weil sie wahnsinnig giftig sind. Als wir einmal zum Ende eines Tauchgangs einen Sicherheitsstopp machten - man muss beim Auftauchen dem Stickstoff Zeit geben, aus dem Blut zu entweichen - tuckerten drei Feuerfische von hinten auf sie zu. Nur noch einen halben Meter entfernt, wollte ich ihr die drei hübschen Gesellen zeigen. Unser Tauchguide hielt das für keine gute Idee, und wir schwammen - durchaus sehr schnell - davon.

      Atemnot beim Wracktauchen

      Soweit die Tierwelt. In diesem Ägypten-Urlaub aber erlebte ich ein Abenteuer der anderen Art, ganz unten, in 31 Metern Tiefe. So weit runter gehe ich selten, das meiste sieht man auch weiter oben. Aber diesmal wollten wir ein Wrack betauchen. Dort angekommen, winkte mir der Tauchguide, dass ich auf ihn zuschwimmen sollte - er wollte ein Foto von mir machen. Da passierte es: Ich war plötzlich außer Atem. Dabei hatte ich mich gar nicht angestrengt. Ich war auch nicht nervös, schließlich tauche ich seit 13 Jahren.

      Ich sog so viel Luft aus dem Atemregulator in meinem Mund, wie ich konnte. Ich spürte sie in meine Lungen sprudeln. Aber es wurde nicht besser. Ich atmete wieder und wieder tief ein, doch ich bekam einfach nicht genug Luft. Langsam wie ein Feuerfisch stieg Panik in mir hoch.

      31 Meter sind nichts - über Wasser. Die rennt man in wenigen Sekunden. Das ist etwas mehr als eine Bahnlänge im Schwimmbad. Die kraule ich in einer halben Minute. Doch eine 31 Meter hohe Wassersäule über einem trennt einen von der Außenwelt wie die meterdicke Betonwand eines Atombunkers. Obwohl man genau weiß, dass man diese paar Meter schnell durchschwimmen könnte, darf man es nicht. Denn das Blut ist voll mit dem Stickstoff aus der komprimierten Luft der Druckflasche. Würde man aus dieser Tiefe schnell nach oben schwimmen, würde das Gas im Blut ausperlen. Man würde sich in eine überschäumende Sektflasche verwandeln.

      Der Überlebenswille interessiert sich nicht für Tauchtheorie

      Hat man unten ein Problem, muss man es auch unten lösen. So weit die Theorie, die einem immer und immer wieder eingehämmert wurde. Unser Überlebenswille interessiert sich aber nicht für den PADI-Tauchkurs. Der schickt nur einen einzigen Befehl an den Rest des Körpers: Raus!
      Immerhin war ich geistesgegenwärtig genug, nicht den Schleudersitz zu zünden, sondern schwamm zu Mahmoud, meinem Tauchguide. Ich signalisierte ihm, dass ich ein Problem mit der Luft hatte und machte eine Faust mit dem Daumen hoch. Über Wasser heißt das: alles top. Unter Wasser: Nichts ist top. Ich muss raus, sonst zeigt gleich der Daumen nach unten.

      Mahmoud nahm mich hoch, aber nur einige Meter, um den Druck zu lindern. Und dann tat er etwas Großartiges: Er presste den Knopf auf meinem Atemregulator. Schon mal an der Tankstelle bei der Reifenpumpe auf den Knopf mit dem Plus gedrückt? Sofort schoss ein Schwall Luft heraus, direkt in meine Lunge. Dieser Knopf ist eigentlich dazu da, das Mundstück mit Luft auszupusten, wenn es mal mit Wasser vollläuft. Jetzt pumpte er meine Lungen auf. Darauf wäre ich im Leben nicht gekommen. Ich hatte wieder genug Luft, die Panik war weg. Wir tauchten weiter und machten noch jede Menge Fotos.

      Der Vorfall dauerte höchstens zwei Minuten - es waren die längsten meines Lebens. Was genau mir da unten passiert ist, weiß ich nicht, vermutlich hatte ich einen leichten Asthmaanfall. Ich weiß nur: Künftig werde ich unter Wasser den Ball flach halten.

      Quelle: spiegel.de/gesundheit/diagnose…n-der-tiefe-a-902374.html