Die Einführung der Euro 4-Norm … und was das bedeutet(e)

      Die Einführung der Euro 4-Norm … und was das bedeutet(e)

      Die Einführung der Euro 4-Norm … und was das bedeutet(e)
      Spannend war es im Herbst 2016 wie selten bis die Hersteller endlich veröffentlichten welche Neuheiten sie präsentieren würden. Spannend auch deswegen um endlich Gewissheit zu haben welche Modelle ein Update auf Euro 4 erhalten würden. Dabei vielleicht sogar noch an Kraft und Drehmoment zulegen und welche Modelle von der Bildfläche verschwinden würden.

      Viele Hersteller sahen sich gezwungen schwer verkäufliche Modelle einzustellen oder zumindest in Europa nicht mehr anzubieten. Etliche beliebte Klassiker mussten gehen weil sie nicht Euro-4-tauglich waren, denn die Norm verlangte etwas mehr als nur Reflektoren an der Gabel.
      Im Hause Harley Davidson ging es hierbei konkret um die im Jahr 2002 ins Programm aufgenommenen Modelle Night Rod und V-Rod Muscle mit seinem bei Porsche entwickelten und mit Flüssigkeit gekühlten, per Einspritzung versorgten 60-Grad-V2-Motor. Der vom US-Konzern bei seiner Einführung 2002 intern bezeichnete neue „Revolution-Motor“ wurde dann 2017 aufgrund der Euro 4-Norm von den deutschen Harley-Händlern abverkauft.
      Modelle des nur Euro 3-fähigen Twin Cam 110-Motors wurden mit dem neuen Milwaukee Eight-V2 upgedated. Konkret handelt es sich hierbei um die Modelle Low Rider S, Fat Boy S, Softail Slim S sowie die Pro Street Breakout.
      Dennoch, für die meisten Biker änderte sich - dem Bestandschutz sei Dank - nichts. Denn alles was sich änderte betraf nur neu zugelassene Fahrzeuge. Motorräder, deren Modellreihen ab dem 1. Januar 2016 eingeführt wurden, mussten dann ab dem 1. Januar 2017 zumindest aber auf die Euro-4-Anlage umgerüstet werden. Dies bedeutete also die Umrüstung auf Schalldämpfer mit elektronisch geregelten Klappensystem. Aber es gab auch einen legalen Weg dieser Vorschrift nicht nachkommen zu müssen: Motorräder mit Euro 3, die beim Hersteller, Händler oder Importeur in Europa bereit standen aber noch nicht verkauft waren, konnten und mussten bis zum 31.12.2016 zumindest für einen Tag angemeldet werden - sprich zum Straßenverkehr zugelassen gewesen sein. Dann konnten Sie auch 2017 oder wann auch immer verkauft werden, ohne das eine Euro-4-Anlage notwendig werden würde. Denn sie waren ja bereits einmal zugelassen. Dazu mussten sie noch nicht einmal aus der Kiste ausgepackt worden sein. Wer diesen Gang zur Zulassungsstelle bis Ende 2016 mit einem Euro 3-Fahrzeug allerdings versäumt hatte, verwandelte seine Maschine kurzum in ein Museumsstück welches nur noch mit roter Nummer bewegt werden durfte.

      Die Einführung der Euro-4-Norm bedeutete aber nicht nur einfach strengere Grenzwerte. Die EU hatte eine ganze Liste an Voraussetzungen gestellt. Als besonders schwierig entpuppte sich die On-Board-Diagnose (OBD), die permanent die abgasbeeinflussenden Systeme überwacht und auf die Daten reagieren muss. Das bedeutete für die Entwickler einen erheblichen Aufwand an Hard- und Software und war einer der Gründe warum die zum 1. Januar 2006 eingeführte Euro-3 und deren Modelle nicht so ohne weiteres auf Euro 4 aufgerüstet werden konnten.

      Wie schon angesprochen ist die Euro 4 nicht nur eine neue Abgas- sondern vielmehr eine neue Zulassungsform. Sie betrifft neben den Emissionen und dem Geräusch auch Dinge wie die Dauerhaltbarkeit des Katalysators, eine geschlossene Tankentlüftung mit Aktivkohlefilter, das Verbot von sicherheits- und umweltrelevanten Abschaltvorrichtungen sowie die automatische Lichteinschaltung, die mit der Einführung auch Vorschrift wurde und natürlich noch immer ist. Nicht zu vergessen die seitlichen Rückstrahler: Erst erlaubt, dann verboten, nun vorgeschrieben – die seitlichen Katzenaugen zeigen schön, wie wandelbar Vorschriften sind.
      Weitere wesentlichen Anforderungen der Euro 4 sind im Bereich Bremsen und Elektronik zu finden. Hier sind Stichworte wie Anti-Blockier-System (ABS), Combined Brake System (CBS) und On-Board-Diagnose (OBD) anzusprechen. Durch die OBD beispielsweise sollen „abgasbeeinflussende Systeme“ nicht nur einfach überwacht, sondern zusätzlich auch auf die rationale Logik der gesendeten Daten und Messwerte hin überprüft werden. Dies stellt hohe Anforderungen an die vernetzte Fahrzeugelektronik und ist folglich nicht so einfach in bestehende Systeme integrierbar. Entsprechend schwer taten sich vor allem kleine Hersteller mit der Umstellung.
      Aber es gab auch Ausnahme, Hersteller die weniger als 75 Exemplare eines Modells pro Jahr bauen besitzen die Berechtigung eine Ausnahmegenehmigung von der ABS- und OBD-Pflicht zu beantragen. Exklusive Manufakturbikes haben so überhaupt erste eine Überlebenschance.

      § Manuell verstellbare Anlagen und herausschraubbare DB-Eater wurden mit Einführung der Euro 4 komplett verboten. Mit Euro 3 waren sie noch zulässig, durften aber nicht im offenen Zustand gefahren werden.
      Hinweis: Der Hebel für die Verstellung darf nicht am Lenker angebracht sein. Die Gendarmerie muss eine manuelle Verstellung durch Beobachtung nachweisen können. Eine manuell geöffnete Anlage gilt seit 2014 als vorsätzlich geöffnet. Das kann bis zu einem Gerichtsverfahren und zum Aussprechen von Fahrverboten führen.

      Faktisch hat Euro 4 einer ganzen Palette alter Recken den Hahn zugedreht.
      Geräuschmessungen finden nun nicht mehr an zwei Punkten, sondern zwischen 20 und 80 km/h statt, um Taschenspielertricks mit Mapping oder Soundklappen zu erschweren. Verglichen damit ist die Reduktion von CO, HC und NOx um 42 Prozent mit modernen Katalysatoren Kinderkram.
      Ärgerlich ist aber der vorgeschriebene Aktivkohlekasten, der Abgasdämpfe aus der Tankentlüftung auffangen soll. Das macht umfangreiche Klempnerarbeiten nötig, um die ganze dafür notwendige Verschlauchung auch zu verstauen. Die Ausdünstungen von Jährlich bis zu sechs Liter Kraftstoff soll so wieder im Motor landen.
      Bei Harley Davidson hat die durch die Euro 4 notwendig gewordene Einführung einer neuen Motoren-Generation wieder eine kleine Revolution stattgefunden. Denn der Milwaukee Eight setzt auf Vier- statt Zweiventiltechnik, auch das Fahrwerk ist verbessert. Für die 2017er Modelle allerdings nur in der Tourer-Klasse. Bei Interesse folgen Sie einfach dem Link und lesen den Blog-Eintrag über die Einführung des Milwaukee Eight.

      Zum 1. Januar 2020 wird die Euro-5-Norm eingeführt bei der – wenn wundert’s, weiter strengere Werte gelten werden was die Hersteller aller Marken ein weiteres Mal herausfordern wird.